Wine
tasting, food and beverage, pizza and food, we can ship …
Nein, dieses
Italien suche ich nicht. Globalisierung hin, Touristen her, Tourismus mag wohl
die sanfteste Art der Entwicklungshilfe sein, darf aber den Charakter nicht
verderben.
Wo bleiben so
einladende Wörter wie Osteria oder Trattoria?
Also wohin? Mein
Weg hat mich in die Alta Tuscia (sprich: Tuscha) gebracht. Schon das Wort ist
nicht allen geläufig. Das Gebiet liegt südlich der Toscana. Aha, also dort. Toscana verbindet jeder mit
dem was sie auch hergibt. Die Alta Tuscia im Alto Lazio aber gibt das bisschen
Urtümlichkeit, Originalität, die ansonsten so schwer zu finden sind dazu. Die
Toscana kann man buchen, die Alta Tuscia muss man suchen. Genau das Richtige
für „Low km Globetrotter“ (kling nach slow food)
Podere Porcino vom Teatro Null (anlässlich eines Festes wird ein
Schwein im Backofen gegrillt)
Meine „Doc“ Station war auch an einem ungewöhlichen Platz bei ungewöhnlichen Leuten, nämlich im „Podere Porcino“ von Gianni und Maria in der Nähe von Castiglione in Teverina (sprich: „Orvieto“, wenn du keine genauen Karten hast). Die Besitzer der Ferienwohnung leiten eine Theatergruppe „Teatro Null“ und haben in ihrem Podere eine Theaterbühne, wo alle möglichen Leute für die Proben ihrer Stücke Unterkunft finden.
Da ich nachts angereist bin, war mir etwas mulmig, denn in der Straße reflektierten nicht einmal mehr die Katzenaugen und weit und breit war nichts zu sehen. Tags hat sich das Bild aber gleich gehellt, Maria, sie spricht auch Deutsch, hat mir zum Frühstück ihre selbst gemacht Marmelade gebracht, da war ich mir sicher die richtige Unterkunft gefunden zu haben. Nun aber hinein ins Abenteuer der letzten Originalitäten.
Mein erstes Ziel
war Civita di Bagnoregio. Die Straßen in dieser Gegend sind sehr holprig,
diesen Ausdruck verwende ich nur, um keine Schimpfwörter zu gebrauchen, und die
Orientierung durch Straßenschilder lässt zu wünschen übrig. Nach ein paar Tagen
überwindet man diese Mängel und fährt schon gelassen durch die Gegend ohne
überhaupt auf Straßenschilder zu achten. Dabei fühlt man sich schon fast
einheimisch.
Civita ist ein
Dorf, das nur über eine lange Brücke zu
erreichen ist. Den besten Blick darauf hat man vom Ort Lubriano aus, da von
dort die Landschaft alle seine Reize mit den von Frane geformten Hügeln
präsentiert. „Frana“ war für mich immer nur ein Erdrutsch auf eine Straße, der
diese unpassierbar macht. Dort präsentiert sich dieses Phänomen aber in anderen
Dimensionen, die ganze Landschaft ist von Bodenerosion geformt (siehe Foto)
Die Brücke, die
nur von Fußgängern benutzt werden kann, ist 250 m lang und zieht sich in einem
Bogen hoch zum einzigen Stadttor. Der fast verlassene Ort zieht wegen seiner
einzigartigen Lage Touristen und wohhabende Italiener aus den Großstädten an,
die sich hier eingekauft haben und die vom Verfall bedrohten Häuser als
Zweitwohnsitz herrichten. Man kann dies wohl als eine sanfte Art der Entwicklungshilfe
ansehen, ansonsten wäre das Dorf seinem Verfall preisgegeben wie Civitella
d’Agliano.
Die von Frane
gezeichnete Landschaft – Calanche genannt
Mein Herz habe
ich aber in Civitella d’Agliano verloren.
Eine verlorene Altstadt
(nicht zu verwechseln mit dem neuen Teil von Civitella), in der fast niemand
mehr wohnt, aber eine Kulisse abgibt, die man nicht mehr lange finden wird. Es
ist klar, eine Renovierung wäre zu kostspielig. Die Häuser sind verlassen, ich
treffe nur eine einzige Frau, die ihre Katzen füttert. Ein Rundgang durch die
Altstadt macht aber klar, dass hier kein Privater die Kulisse retten kann,
außer man heißt vielleicht Bill Gates.
Ich rate jedem, der hierher kommt, sich die Altstadt anzusehen und einen Rundgang
zu machen.
Nach ein paar
Tagen abseits der Stadt war es wieder Zeit in den Alltag einzutauchen und dazu
bietet sich Orvieto bestens an. In Orvieto unterscheidet man „Orvieto scalo“,
das ist dort unten, wo auch der Zug fährt und anhält und wo die
Autobahnausfahrt ist und oben am höchsten Punkt, wo der Dom steht, spricht man
von „Orvieto alta“. Einer der schönsten
Dome Italiens ziert den höchsten Punkt der Stadt und außerdem gibt es „La Orvieto Sotterranea“ (also das unterirdische Orvieto); es werden
Führungen angeboten, um diese Gänge zu erkunden; Startpunkt ist in der Nähe des
Domes. Außerdem findet man dort noch etwas wirklich Außergewöhnliches, den
Pozzo di San Patrizio.
(Dom von
Orvieto)
Um den Pozzo zu
betreten muss man Eintritt zahlen, aber das ist absolut nebensächlich in
Anbetracht dessen, was dieser Tiefbrunnen bietet. Es ist ein 53 Meter tiefes
Loch in der Art eines Zylinders, das in den Tuffo hinunter führt, mit einer
Breite von 13 Metern. Man geht also die Rampe hinunter und versteht erst dort
die Einzigartigkeit der Konstruktion: Man begegnet den Leuten nicht, die die
Rampe heraufkommen, da zwei getrennte Spiralen die einen hinunter, die anderen
hinauf führen. Dies war nötig, dass sich die Tiere, die Wasser an die
Oberfläche bringen sollten sich nicht gegenseitig in die Quere kamen. 70
Fenster öffnen zudem den Blick von den Rampen hinab in den Brunnen. Erbaut
wurde dieses Wunderwerk von 1527 bis 1537 zur Zeit von Papst Clemens VII. der
nach der Belagerung Roms 1527 durch deutsche Landsknechte und seiner Flucht in
die Engelsburg als Pilger getarnt nach Orvieto flüchten konnte, wo er sich im
Brunnen verstecken sollte.
So präsentiert
sich der Pozzo (= Brunnen) von außen
(Foto Pozzo beide von Gianni Fantauzzi)
(So sieht der 53
m tiefe Zylinder von innen aus, zwei Spiralen verhindern das Zusammentreffen
von den Menschen die hinunter bzw. hinauf gehen)
(So sieht der 53 m tiefe Zylinder von innen aus, zwei Spiralen verhindern das Zusammentreffen von den Menschen die hinunter bzw. hinauf gehen)
Auf dem Rückweg
mache ich noch Halt in Bomarzo.
Außerhalb von Bomarzo
(etwa 20 km nördlich von Viterbo) liegt der Parco dei Mostri, den Vicino Orsini
um 1550 anlegen hieß. Die einzigartige Anlage wurde von der Macchia überwuchert
und erst viel später, Salvador Dali war 1938 maßgeblich an der Freilegung
beteiligt, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Im Parco dei Mostri (Park der
Ungeheuer) sind aus dem Tuff gehauene kämpfende Giganten, Nymphen, ein schiefes
Haus, ein Cerberus mit zwei Köpfen, eine riesige Schildkröte ebenfalls aus Tuff
gehauen, sowie ein Elefant und vieles mehr sind zu sehen. Eine Interpretation
sei den Wissenschaftlern überlassen, ein Vergnügen ist der Besuch im Park auf
alle Fälle. Es gibt auch nichts Vergleichbares (weltweit).
Zwischen diesen
Highlights der Ungewöhnlichkeit gibt es natürlich alle paar Kilometer Dörfchen
mit ihren Geschäften und Bars, in denen die alten Herren sitzen und beobachten
was sich alles nicht tut, wo man sich
zurück versetzt
fühlt in die 50er Jahre wie wir sie aus Filmen des „Neorealismo Italiano“
kennen.
Saturnia: warme Bäder beim Molino; hier ist kein Eintritt
zu zahlen. (die Aufnahme wurde zur Weihnachtszeit gemacht)-
Zwischen
Olivenhainen und grünen Wiesen, auf denen Schafsherden von Hunden gehütet
werden - der Schäfer schläft meist irgendwo in seinem Fiat Panda - geht es
weiter über kleine Straßen nach Saturnia. Dies ist ein Kurort mit Thermen und
einem gemütlichen Dörfchen. Wer warme Bäder außerhalb des Kurbetriebes genießen
will, muss zum Molino, dort kann man in den Becken baden, sich vom Wasserfall
massieren lassen und dies alles ohne bezahlen zu müssen. Ein Parkplatz ist auch
vorhanden.
(unterwegs in der Alta Tuscia)
Mit dem Besuch
von Saturnia und Pitigliano verlasse ich zwar das Gebiet der Alta Tuscia um ein
paar Kilometer, beide Orte liegen bereits in der südlichen Toskana, aber das
Element Tuffgestein verbindet inhaltlich. Häuser in dieser Gegend sind aus Tuff
gebaut. Der Stein ist vulkanischen Ursprungs, denn der nahegelegene Bolsenasee
war einst, bzw. ist, ein vulkanischer Krater, der enorme Mengen dieses Gesteins
ausgeworfen
hatte. Die warmen Quellen in der gesamten Gegend sind noch Zeuge dieser
Tätigkeit.
Pitigliano ist
auch unter den Dörfchen der Gegend einzigartig, den besten Blick darauf hat man
von Manciano und Corano kommend, also auf der SS74, am späten Nachmittag. Eine
beachtenswerte jüdische Gemeinde gab es dort ebenfalls, heute kann man noch die
Synode und das Ghetto besichtigen. In den engen Gassen fühlt man sich ins
Mittelalter zurückversetzt.
Eine weitere
warme Quelle (außer der von Saturnia) mit Becken zum Baden findet man in der
Nähe von Viterbo. Man fährt von Viterbo aus nach Norden auf der Strada Regionale
2 =SR2, nach ein paar Kilometern zweigt man bei einer Tankstelle nach links ab
in die Strada Provinciale 7 = SP7 und nach 2 bis 3 Kilometern findet man den
Hinweis „BAGNACCIO“. Der Wiesenweg dorthin verdient jetzt aber wirklich ein
Schimpfwort, denn die Löcher im Weg sind viele und tiefe. Man wird aber
belohnt: Ein großer Parkplatz (gebührenfrei! – wer einen Camper hat kann dort
auch übernachten) und 5 Becken mit einem schwefelhaltigem Wasser, das mit 65° C
aus dem Boden kommt. Früher war das alles gebührenfrei, jetzt zahlt man 5 € am
Tag, dafür werden die Becken aber gewartet, es sind Umkleidekabinen vorhanden
und man wird bestens bedient. (siehe Bilder unten)
Mehrere Male bin
ich noch zum „Podere Porcino“ zurückgekehrt, auch um bei der Olivenernte zu
helfen oder um bei einem Fest dabei zu sein. Im gesamten Gebiet ist man sehr
gut beraten, wenn man das eigene Auto dabei hat. Es gibt zwar öffentliche
Verkehrsmittel, die zwar alle Dörfer anfahren, damit kann man aber nicht bei
einer Bar stehen bleiben, um einen „bianchetto“ zu trinken oder in der nächsten
Kurve eine Panoramaaufnahme zu machen. Tankstellen
sind eher spärlich vorhanden, eine kann auch mal geschlossen sein, deshalb ist
man gut beraten, wenn die Nadel an der Anzeige des Treibstoffes immer in der
oberen Hälfte liegt.
Wer die Reise in
die Alta Tuscia mit einem Badeurlaub verbinden möchte, kann am Bolsenasee sicher den geeigneten Platz
finden.
Der See hat einen Umfang von ca. 40 Kilometern und ist durchschnittlich 80 m tief. Campingplätze und Hotels gibt es einige. Also hinein ins Vegnügen!
Der See hat einen Umfang von ca. 40 Kilometern und ist durchschnittlich 80 m tief. Campingplätze und Hotels gibt es einige. Also hinein ins Vegnügen!
Ganz in der Nähe
des Bolsenasees liegt Gradoli. Ein Dorf, eine Bruderschaft, die etwas ganz
Außergwöhnliches veranstaltet und zwar immer am Aschermittwoch. „Il pranzo del
purgatorio“, also das „Mittagessen des Fegefeuers“, veranstaltet wird das Ereignis von einer Bruderschaft, die
dieses Fest schon seit 500 Jahren veranstaltet und zwar zu Gunsten von armen
Mädchen, um denen die Aussteuer zu finanzieren. Das Besondere an diesem Essen
ist, dass jeder sein Besteck, seine Teller und Gläser, sowie das Brot und den
Wein selbst mitbringt. So verwickelt man sich schon vor dem Essen in ein
Gespräch mit den Tischnachbarn darüber woher man den Wein hat, warum man gerade
diesen mitgebracht hat und und und.
Das Essen beginnt
immer genau um 13.00 Uhr mit einem Paukenschlag. Ins Festzelt kommen 2000
Personen (ich wiederhole zweitausend Personen), die an langen Tischen sitzen. Mit
2000 Personen zu essen ist schon
ungewöhnlich genug, um diese zu bekochen
werden vor dem Zelt riesige Feuer angezündet und die Speisen werden in riesigen
Kochtöpfen über dem Holzfeuer gekocht und von 2 Personen wird der Kochtopf mit
einer Stange durch die Reihen getragen und jeweils für 4 Personen wird
aufgetischt. Das üppige Menü ist immer dasselbe, nämlich:
· Die einzigartigen Bohnen von Gradoli (fagioli
del purgatorio) nur mit Olivenöl
und Pfeffer gewürzt;
· Reissuppe nach einem geheimen Rezept;
· Hecht (Luccio) in Wasser gekocht (also
lesso);
· Seehecht (Nasello) frittiert;
· Stockfisch (Baccalà) in Wasser gekocht (in
umido) und mit Olivenöl gewürzt
· 1 Apfel
Das 6-gängige Menü kostet etwa 20 € und das Essen dauert einige Stunden.
Man muss sich anmelden und bekommt dabei eine
Nummer. Bei 2000 Gästen ist es gar nicht so leicht seinen Platz an den
langen Tischen zu finden. Die Atmosphäre ist jedenfalls super!!!
Kleiner Schönheitsfehler: Wir waren die Einzigen, die Teller aus Keramik
und richtige Gläser dabei hatten, 1996 Personen hatten Wegwerfgeschirr aus
Plastik mit, das sie nicht wieder mit nach Hause genommen haben, sondern den
Bewohnern von Gradoli als Erinnerung überließen, schade.
Anmeldungen sind unter der Nummer 0761 456 810 möglich (Termin: immer Aschermittwoch)
Den Wein habe ich
noch nicht erwähnt. Die vulkanischen Böden eignen sich natürlich bestens zum
Anbau vor allem von Merlot und
Sangiovese. Fast in jedem Dorf
gibt es eine „Cantina Sociale“, also eine genossenschaftliche Kellerei, die
sowohl Weine in 7/10 Flaschen anbieten als auch offen, meist in 5 l Behältern. Es
gibt eine „Strada del Vino“ und in Castiglione in Teverina liegt der Sitz des
Weinbaumuseums. Bei Gradoli wächst der Vino Aleatico, immer in der Nähe des
Bolsenasees bei Montefiascone (unbedingt besuchen) wächst der Weißwein „Est,
Est, Est“. Dazu gibt es eine nette Geschichte, die diesem Namen Sinn gibt:
Man erzählt, ein
deutscher Rompilger habe um das Jahr 1100 einen Diener vorausgeschickt, der die
Herbergen am Weg nach Rom auf Wein testen sollte. Ist der Wein gut sollte der
Diener „Est“ ( „ist“ „hier ist“) auf die Tür der Herberge schreiben, so dass
sein Herr getrost einkehren konnte. In Montefiascone am Bolsenasee hat der
Diener auf die Tür „Est, Est, Est“ geschrieben, um zu betonen, dass hier der
Wein besonderns gut sei.
Die Geschichte
ist wohl erfunden, der gute Wein bleibt aber Tatsache.
Insider Tipp: Wer von der Alta Tuscia aus nach Rom
fahren will, soll sein Auto in Attigliano am Bahnhof stehen lassen und mit
einer Tageskarte den Zug nach Rom nehmen. Dies hat den Vorteil, dass Attigliano
in der Region Lazio liegt und man kann in diesem Bahnhof eine Tageskarte (nur
in der Region erhältlich) lösen, diese berechtigt für die Zugfahrt nach Rom und
gilt für alle städtischen Verkehrsmittel wie Autobus und U-Bahn in Rom und man löst das Parkproblem ganz
souverän.
Wer damit noch
nicht genug Außergewöhnhliches gesehen hat, kann noch 40 km von Castiglione in Teverina oder 50 km von Orvieto entfernt eine
„Forresta Fossile“ sehen. Das ist ein versteinerter Wald. Versteinerter
Wald? Ja,
aber davon erzähle ich das nächste Mal.
Alle Rechte by Michael Hartmann