sabato 2 aprile 2016

ALTA TUSCIA


Wine tasting, food and beverage, pizza and food, we can ship …
Nein, dieses Italien suche ich nicht. Globalisierung hin, Touristen her, Tourismus mag wohl die sanfteste Art der Entwicklungshilfe sein, darf aber den Charakter nicht verderben.
Wo bleiben so einladende Wörter wie Osteria oder Trattoria?
Also wohin? Mein Weg hat mich in die Alta Tuscia (sprich: Tuscha) gebracht. Schon das Wort ist nicht allen geläufig. Das Gebiet liegt südlich der Toscana.  Aha, also dort. Toscana verbindet jeder mit dem was sie auch hergibt. Die Alta Tuscia im Alto Lazio aber gibt das bisschen Urtümlichkeit, Originalität, die ansonsten so schwer zu finden sind dazu. Die Toscana kann man buchen, die Alta Tuscia muss man suchen. Genau das Richtige für „Low km Globetrotter“ (kling nach slow food)                            
 

 
Podere Porcino vom Teatro Null                                                                    (anlässlich eines Festes wird ein Schwein im Backofen gegrillt)





Meine „Doc“ Station war auch an einem ungewöhlichen Platz bei ungewöhnlichen Leuten, nämlich im „Podere Porcino“ von Gianni und Maria in der Nähe von Castiglione in Teverina (sprich: „Orvieto“, wenn du keine genauen Karten hast). Die Besitzer der Ferienwohnung leiten eine Theatergruppe „Teatro Null“ und haben in ihrem Podere eine Theaterbühne, wo alle möglichen Leute für die Proben ihrer Stücke Unterkunft finden.





 Da ich nachts angereist bin, war mir etwas mulmig, denn in der Straße reflektierten nicht einmal mehr die Katzenaugen und weit und breit war nichts zu sehen. Tags hat sich das Bild aber gleich gehellt, Maria, sie spricht auch Deutsch, hat mir zum Frühstück ihre selbst gemacht Marmelade gebracht, da war ich mir  sicher die richtige Unterkunft gefunden zu haben. Nun aber hinein ins Abenteuer der letzten Originalitäten.
Mein erstes Ziel war Civita di Bagnoregio. Die Straßen in dieser Gegend sind sehr holprig, diesen Ausdruck verwende ich nur, um keine Schimpfwörter zu gebrauchen, und die Orientierung durch Straßenschilder lässt zu wünschen übrig. Nach ein paar Tagen überwindet man diese Mängel und fährt schon gelassen durch die Gegend ohne überhaupt auf Straßenschilder zu achten. Dabei fühlt man sich schon fast einheimisch.
Civita ist ein Dorf,  das nur über eine lange Brücke zu erreichen ist. Den besten Blick darauf hat man vom Ort Lubriano aus, da von dort die Landschaft alle seine Reize mit den von Frane geformten Hügeln präsentiert. „Frana“ war für mich immer nur ein Erdrutsch auf eine Straße, der diese unpassierbar macht. Dort präsentiert sich dieses Phänomen aber in anderen Dimensionen, die ganze Landschaft ist von Bodenerosion  geformt (siehe Foto)
Die Brücke, die nur von Fußgängern benutzt werden kann, ist 250 m lang und zieht sich in einem Bogen hoch zum einzigen Stadttor. Der fast verlassene Ort zieht wegen seiner einzigartigen Lage Touristen und wohhabende Italiener aus den Großstädten an, die sich hier eingekauft haben und die vom Verfall bedrohten Häuser als Zweitwohnsitz herrichten. Man kann dies wohl als eine sanfte Art der Entwicklungshilfe ansehen, ansonsten wäre das Dorf seinem Verfall preisgegeben wie Civitella d’Agliano.



Die von Frane gezeichnete Landschaft – Calanche genannt                                      







Mein Herz habe ich aber in Civitella d’Agliano verloren.
Eine verlorene Altstadt (nicht zu verwechseln mit dem neuen Teil von Civitella), in der fast niemand mehr wohnt, aber eine Kulisse abgibt, die man nicht mehr lange finden wird. Es ist klar, eine Renovierung wäre zu kostspielig. Die Häuser sind verlassen, ich treffe nur eine einzige Frau, die ihre Katzen füttert. Ein Rundgang durch die Altstadt macht aber klar, dass hier kein Privater die Kulisse retten kann, außer man heißt vielleicht Bill Gates.



 Ich rate jedem, der hierher kommt,  sich die Altstadt anzusehen und einen Rundgang zu machen.





Nach ein paar Tagen abseits der Stadt war es wieder Zeit in den Alltag einzutauchen und dazu bietet sich Orvieto bestens an. In Orvieto unterscheidet man „Orvieto scalo“, das ist dort unten, wo auch der Zug fährt und anhält und wo die Autobahnausfahrt ist und oben am höchsten Punkt, wo der Dom steht, spricht man von „Orvieto alta“.  Einer der schönsten Dome Italiens ziert den höchsten Punkt der Stadt und außerdem gibt es  „La Orvieto Sotterranea“  (also das unterirdische Orvieto); es werden Führungen angeboten, um diese Gänge zu erkunden; Startpunkt ist in der Nähe des Domes. Außerdem findet man dort noch etwas wirklich Außergewöhnliches, den Pozzo di San Patrizio.


 (Dom von Orvieto)











Pozzo di San Patrizio
Um den Pozzo zu betreten muss man Eintritt zahlen, aber das ist absolut nebensächlich in Anbetracht dessen, was dieser Tiefbrunnen bietet. Es ist ein 53 Meter tiefes Loch in der Art eines Zylinders, das in den Tuffo hinunter führt, mit einer Breite von 13 Metern. Man geht also die Rampe hinunter und versteht erst dort die Einzigartigkeit der Konstruktion: Man begegnet den Leuten nicht, die die Rampe heraufkommen, da zwei getrennte Spiralen die einen hinunter, die anderen hinauf führen. Dies war nötig, dass sich die Tiere, die Wasser an die Oberfläche bringen sollten sich nicht gegenseitig in die Quere kamen. 70 Fenster öffnen zudem den Blick von den Rampen hinab in den Brunnen. Erbaut wurde dieses Wunderwerk von 1527 bis 1537 zur Zeit von Papst Clemens VII. der nach der Belagerung Roms 1527 durch deutsche Landsknechte und seiner Flucht in die Engelsburg als Pilger getarnt nach Orvieto flüchten konnte, wo er sich im Brunnen verstecken sollte.
So präsentiert sich der Pozzo  (= Brunnen) von außen (Foto Pozzo beide von Gianni Fantauzzi)

(So sieht der 53 m tiefe Zylinder von innen aus, zwei Spiralen verhindern das Zusammentreffen von den Menschen die hinunter bzw. hinauf gehen)



(So sieht der 53 m tiefe Zylinder von innen aus, zwei Spiralen verhindern das Zusammentreffen von den Menschen die hinunter bzw. hinauf gehen)




Auf dem Rückweg mache ich noch Halt in Bomarzo.

Außerhalb von Bomarzo (etwa 20 km nördlich von Viterbo) liegt der Parco dei Mostri, den Vicino Orsini um 1550 anlegen hieß. Die einzigartige Anlage wurde von der Macchia überwuchert und erst viel später, Salvador Dali war 1938 maßgeblich an der Freilegung beteiligt, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Im Parco dei Mostri (Park der Ungeheuer) sind aus dem Tuff gehauene kämpfende Giganten, Nymphen, ein schiefes Haus, ein Cerberus mit zwei Köpfen, eine riesige Schildkröte ebenfalls aus Tuff gehauen, sowie ein Elefant und vieles mehr sind zu sehen. Eine Interpretation sei den Wissenschaftlern überlassen, ein Vergnügen ist der Besuch im Park auf alle Fälle. Es gibt auch nichts Vergleichbares (weltweit). 




  Einen  Vorgeschmack kann man auf der Webseitewww.sacrobosco.it bekommen.

Zwischen diesen Highlights der Ungewöhnlichkeit gibt es natürlich alle paar Kilometer Dörfchen mit ihren Geschäften und Bars, in denen die alten Herren sitzen und beobachten was sich alles nicht tut, wo man sich
zurück versetzt fühlt in die 50er Jahre wie wir sie aus Filmen des „Neorealismo Italiano“ kennen.
Saturnia: warme Bäder beim Molino; hier ist kein Eintritt zu zahlen. (die Aufnahme wurde zur Weihnachtszeit gemacht)-

Zwischen Olivenhainen und grünen Wiesen, auf denen Schafsherden von Hunden gehütet werden - der Schäfer schläft meist irgendwo in seinem Fiat Panda - geht es weiter über kleine Straßen nach Saturnia. Dies ist ein Kurort mit Thermen und einem gemütlichen Dörfchen. Wer warme Bäder außerhalb des Kurbetriebes genießen will, muss zum Molino, dort kann man in den Becken baden, sich vom Wasserfall massieren lassen und dies alles ohne bezahlen zu müssen. Ein Parkplatz ist auch vorhanden.


 (unterwegs in der Alta Tuscia)
Mit dem Besuch von Saturnia und Pitigliano verlasse ich zwar das Gebiet der Alta Tuscia um ein paar Kilometer, beide Orte liegen bereits in der südlichen Toskana, aber das Element Tuffgestein verbindet inhaltlich. Häuser in dieser Gegend sind aus Tuff gebaut. Der Stein ist vulkanischen Ursprungs, denn der nahegelegene Bolsenasee war einst, bzw. ist, ein vulkanischer Krater, der enorme Mengen dieses Gesteins

Pitigliano (Tuff auf Tuff)


ausgeworfen hatte. Die warmen Quellen in der gesamten Gegend sind noch Zeuge dieser Tätigkeit.
Pitigliano ist auch unter den Dörfchen der Gegend einzigartig, den besten Blick darauf hat man von Manciano und Corano kommend, also auf der SS74, am späten Nachmittag. Eine beachtenswerte jüdische Gemeinde gab es dort ebenfalls, heute kann man noch die Synode und das Ghetto besichtigen. In den engen Gassen fühlt man sich ins Mittelalter zurückversetzt.
Eine weitere warme Quelle (außer der von Saturnia) mit Becken zum Baden findet man in der Nähe von Viterbo. Man fährt von Viterbo aus nach Norden auf der Strada Regionale 2 =SR2, nach ein paar Kilometern zweigt man bei einer Tankstelle nach links ab in die Strada Provinciale 7 = SP7 und nach 2 bis 3 Kilometern findet man den Hinweis „BAGNACCIO“. Der Wiesenweg dorthin verdient jetzt aber wirklich ein Schimpfwort, denn die Löcher im Weg sind viele und tiefe. Man wird aber belohnt: Ein großer Parkplatz (gebührenfrei! – wer einen Camper hat kann dort auch übernachten) und 5 Becken mit einem schwefelhaltigem Wasser, das mit 65° C aus dem Boden kommt. Früher war das alles gebührenfrei, jetzt zahlt man 5 € am Tag, dafür werden die Becken aber gewartet, es sind Umkleidekabinen vorhanden und man wird bestens bedient. (siehe Bilder unten)




Mehrere Male bin ich noch zum „Podere Porcino“ zurückgekehrt, auch um bei der Olivenernte zu helfen oder um bei einem Fest dabei zu sein. Im gesamten Gebiet ist man sehr gut beraten, wenn man das eigene Auto dabei hat. Es gibt zwar öffentliche Verkehrsmittel, die zwar alle Dörfer anfahren, damit kann man aber nicht bei einer Bar stehen bleiben, um einen „bianchetto“ zu trinken oder in der nächsten Kurve eine Panoramaaufnahme zu machen.  Tankstellen sind eher spärlich vorhanden, eine kann auch mal geschlossen sein, deshalb ist man gut beraten, wenn die Nadel an der Anzeige des Treibstoffes immer in der oberen Hälfte liegt.
Wer die Reise in die Alta Tuscia mit einem Badeurlaub verbinden möchte,  kann am Bolsenasee sicher den geeigneten Platz finden. 





Der See hat einen Umfang von ca. 40 Kilometern und ist durchschnittlich 80 m tief. Campingplätze und Hotels gibt es einige. Also hinein ins Vegnügen!
Ganz in der Nähe des Bolsenasees liegt Gradoli. Ein Dorf, eine Bruderschaft, die etwas ganz Außergwöhnliches veranstaltet und zwar immer am Aschermittwoch. „Il pranzo del purgatorio“, also das „Mittagessen des Fegefeuers“,  veranstaltet  wird das Ereignis von einer Bruderschaft, die dieses Fest schon seit 500 Jahren veranstaltet und zwar zu Gunsten von armen Mädchen, um denen die Aussteuer zu finanzieren. Das Besondere an diesem Essen ist, dass jeder sein Besteck, seine Teller und Gläser, sowie das Brot und den Wein selbst mitbringt. So verwickelt man sich schon vor dem Essen in ein Gespräch mit den Tischnachbarn darüber woher man den Wein hat, warum man gerade diesen mitgebracht hat und und und.
Das Essen beginnt immer genau um 13.00 Uhr mit einem Paukenschlag. Ins Festzelt kommen 2000 Personen (ich wiederhole zweitausend Personen), die an langen Tischen sitzen. Mit 2000 Personen  zu essen ist schon ungewöhnlich genug, um diese  zu bekochen werden vor dem Zelt riesige Feuer angezündet und die Speisen werden in riesigen Kochtöpfen über dem Holzfeuer gekocht und von 2 Personen wird der Kochtopf mit einer Stange durch die Reihen getragen und jeweils für 4 Personen wird aufgetischt. Das üppige Menü ist immer dasselbe, nämlich:

·       Die einzigartigen Bohnen von Gradoli (fagioli del purgatorio) nur mit Olivenöl  und  Pfeffer gewürzt;
·       Reissuppe nach einem geheimen Rezept;
·       Hecht (Luccio) in Wasser gekocht (also lesso);
·       Seehecht (Nasello) frittiert;
·       Stockfisch (Baccalà) in Wasser gekocht (in umido) und mit Olivenöl gewürzt
·       1 Apfel
Das 6-gängige Menü kostet etwa 20 € und das Essen dauert einige Stunden. Man muss sich anmelden und bekommt dabei eine  Nummer. Bei 2000 Gästen ist es gar nicht so leicht seinen Platz an den langen Tischen zu finden. Die Atmosphäre ist jedenfalls super!!!
Kleiner Schönheitsfehler: Wir waren die Einzigen, die Teller aus Keramik und richtige Gläser dabei hatten, 1996 Personen hatten Wegwerfgeschirr aus Plastik mit, das sie nicht wieder mit nach Hause genommen haben, sondern den Bewohnern von Gradoli als Erinnerung überließen, schade.
Anmeldungen sind unter der Nummer 0761 456 810 möglich (Termin: immer Aschermittwoch)



 
(Oliven aus dem Podere Porcino)  





Den Wein habe ich noch nicht erwähnt. Die vulkanischen Böden eignen sich natürlich bestens zum Anbau vor allem von Merlot und  Sangiovese.  Fast in jedem Dorf gibt es eine „Cantina Sociale“, also eine genossenschaftliche Kellerei, die sowohl Weine in 7/10 Flaschen anbieten als auch offen, meist in 5 l Behältern. Es gibt eine „Strada del Vino“ und in Castiglione in Teverina liegt der Sitz des Weinbaumuseums. Bei Gradoli wächst der Vino Aleatico, immer in der Nähe des Bolsenasees bei Montefiascone (unbedingt besuchen) wächst der Weißwein „Est, Est, Est“. Dazu gibt es eine nette Geschichte, die diesem Namen Sinn gibt:
Man erzählt, ein deutscher Rompilger habe um das Jahr 1100 einen Diener vorausgeschickt, der die Herbergen am Weg nach Rom auf Wein testen sollte. Ist der Wein gut sollte der Diener „Est“ ( „ist“ „hier ist“) auf die Tür der Herberge schreiben, so dass sein Herr getrost einkehren konnte. In Montefiascone am Bolsenasee hat der Diener auf die Tür „Est, Est, Est“ geschrieben, um zu betonen, dass hier der Wein besonderns gut sei.
Die Geschichte ist wohl erfunden, der gute Wein bleibt aber Tatsache.

Insider Tipp: Wer von der Alta Tuscia aus nach Rom fahren will, soll sein Auto in Attigliano am Bahnhof stehen lassen und mit einer Tageskarte den Zug nach Rom nehmen. Dies hat den Vorteil, dass Attigliano in der Region Lazio liegt und man kann in diesem Bahnhof eine Tageskarte (nur in der Region erhältlich) lösen, diese berechtigt für die Zugfahrt nach Rom und gilt für alle städtischen Verkehrsmittel wie Autobus und U-Bahn  in Rom und man löst das Parkproblem ganz souverän.
Wer damit noch nicht genug Außergewöhnhliches gesehen hat,  kann noch 40 km von Castiglione in  Teverina oder 50 km von Orvieto entfernt eine „Forresta Fossile“ sehen. Das ist ein versteinerter Wald. Versteinerter Wald?                                                                   Ja, aber davon erzähle ich das nächste Mal.
Alle Rechte by Michael Hartmann

Nessun commento:

Posta un commento